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Mehr Macht für Kinder und Jugendliche!
Positionspapier Partizipation
Vorwort
Mit dem vorliegenden Positionspapier möchte der Landesjugendring Baden-Württemberg alle Interessierten einladen, über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam wollen wir Wege zu einer jugendgerechteren Gesellschaft entwickeln. Zentraler Baustein dazu ist für uns die Absenkung des Wahlalters auf allen Ebenen. Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen bedeutet, sie in Entscheidungen einzubinden.
Wir haben viele Werkzeuge und viele Beteiligte, um eine Wahlalterssenkung auf 14 Jahre ohne das – anscheinend vermutete – böse Erwachen möglich zu machen. Wir sagen: es ist an der Zeit für die Politik, Nägel mit Köpfen zu machen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Vollversammlung des Landesjugendrings am 09.11.2019 unter dem Titel „Mehr Macht für Kinder und Jugendliche!“ dieses Positionspapier Partizipation beschlossen.
Warum ist die Wahlalterssenkung so wichtig?
Unsere Demokratie wird alt. Die Bundesrepublik Deutschland feiert dieses Jahr ihr 70-Jähriges Bestehen und ist damit in derselben Altersgruppe wie ein großer Teil ihrer Wahlberechtigten. Auch in Baden-Württemberg werden die, die durch politische Wahlen mitbestimmen dürfen, immer älter: laut statistischem Landesamt sind mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten über 60 – in zehn Jahren werden es fast die Hälfte sein. Da nimmt sich die Forderung des Landesjugendrings Baden-Württemberg, das Wahlalter mit 14 auf allen politischen Ebenen einzuführen, zunächst wie eine Maßnahme zur Beschönigung des Altersdurchschnitts bei Wahlen aus.
Die Parteiprogramme orientieren sich am Durchschnittswähler, was Bewegungen wie Fridays for Future oder auch seinerzeit die neu gegründete Piratenpartei deutlich gemacht haben. Sei es der Klimawandel oder Digitalisierung: unsere Demokratie hat Nachholbedarf an Themen, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene beschäftigen – allein der Zugzwang scheint zu fehlen.
Was sind die „Jugendthemen“?
Ein Format, in dem Jugendliche miteinander und mit Politikerinnen und Politikern über selbst gewählte Themen in Gespräch kommen, ist der Jugendlandtag von Baden-Württemberg, den der Landesjugendring alle zwei Jahre durchführt. Er zeigt: Jugendliche beschäftigen sich nicht nur viel mit Umwelt- und Naturschutz. Auch ÖPNV, Fahrverbote, Lehrerfortbildung und Antidiskriminierung, Netzausbau und eine Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum werden heiß diskutiert. Und zuvorderst natürlich die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre auf allen Ebenen. Die Forderungen des Jugendlandtags bewegen sich quer durch Themen, die alle in Baden-Württemberg angehen – das wissen wir aus unseren langjährigen Erfahrungen mit diesem Format.
Auch die Erfahrungen aus vielen Beteiligungsverfahren in Städten und Gemeinden zeigen klar: Jugendliche interessieren sich nicht nur dafür, coole Orte zum „chillen“ und mehr Skaterparks zu haben. Sie wollen gut ausgebaute Fahrradwege. Sie wollen gut ausgebautes Internet. Gut ausgebaute Bus- und Bahnnetze mit günstigen Ticketpreisen. Bessere Straßenbeleuchtung. Mehr Orte für das Zusammentreffen. Mehr Unterstützung fürs Ehrenamt. Kurz: Dinge, die viele Erwachsene sich auch wünschen. Und darüber hinaus Dinge, die nah an der jeweils eigenen Lebensrealität sind: funktionierende Toiletten in der Schule. Besseren Unterricht und gut qualifizierte, digital sattelfeste Lehrer. Und nicht zuletzt fordern sie auch attraktive Freizeitangebote vor Ort, denn diese orientieren sich meist allein an Familien mit kleinen Kindern und Senioren.
Wahlalter 14 – nur konsequent
Beim Thema „Wahlalter 14“ scheiden sich die Geister an der „Reife“ der Altersgruppe der 14 bis 18-jährigen. Doch erstens sind Menschen innerhalb jeder Altersgruppe sehr unterschiedlich. Und zweitens machen sich Jugendliche durchaus Gedanken darüber, ob sie reif genug sind, eine richtige Entscheidung zu treffen.
Die Autoren der Shell Jugendstudie stellen schon 2006 fest: „Die Jugendlichen gehen mit sehr anspruchsvollen Maßstäben und Qualifikationsvorstellungen an den Wahlakt heran. Sie sind der Auffassung, es gehöre genaue Kenntnis von Parteiprogrammen und politischen Zusammenhängen als Voraussetzung dazu. Hier sind Jugendliche erheblich anspruchsvoller als die ältere Bevölkerung, die teilweise ohne jede sorgfältige politische Vorabinformation an den Wahlvorgang herangeht.“ Dennoch ist die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen von 18 bis 34 deutlich geringer als die der über 40-Jährigen. Lohnt es sich etwa gar nicht, über eine Senkung des Wahlalters nachzudenken?
Eine Erklärung für die ausbleibende hohe Wahlbeteiligung könnte sein, dass trotz gleichbleibend hohen politischen Interesses, sich fast die Hälfte der Jugendlichen von der Politik nicht ernst genommen fühlen. Laut der Shell Jugendstudie 2019 ist das Vertrauen in die Parteien nach wie vor gering, fast dreiviertel der Befragten im Alter von 15 bis 25 glauben, dass Politiker sich nicht um ihre Meinung kümmern. Im Landesjugendring Baden-Württemberg beobachten wir diese Entwicklung mit Sorge.
Junge Menschen tragen die langfristigen Folgen der politischen Entscheidungen von heute. Sie wollen sich wirksam in die Diskussionen einbringen, bekommen aber nur eng begrenzte Möglichkeiten dazu. Mit dem schwindenden Vertrauen in die politischen Institutionen kann nicht nur das Vertrauen in die Wirksamkeit der Wahlen sinken. Die Politik droht, mehr Jugendliche an Populisten zu verlieren.
Wir sind uns sicher: Wahlen als eine der zentralen Formen politischer Beteiligung sollen nicht mit einer willkürlichen Altersgrenze einhergehen. Wir als Gesellschaft müssen Jugendlichen mit einem Vertrauensvorschuss begegnen. Es gibt längst mehr als genug Studien zum Thema Jugend und Politik, die uns bestätigen, dass Jugendliche Wahlen und Politik ernst nehmen. Die U 18-Wahlen, die schon seit vielen Jahren für alle politischen Ebenen stattfinden, zeigen dass Jugendliche eher seltener als volljährige Wähler zu politischen Extremen neigen. Das Wahlalter 14 sollte eigentlich nur noch eine Umsetzungsfrage sein.
Darf nicht zu kurz kommen: politische Bildung
Ganz klar ist aber auch: eine gut informierte Wählerschaft braucht altersgerecht aufbereitete politische Bildung. Und sie braucht natürlich den Dialog mit den Kandidat*innen. Der Arbeitsauftrag ergeht dabei nicht nur an Schulen und die Landeszentralen für politische Bildung, auch die Jugendverbände und Jugendringe tragen ihren Teil bei.
Junge Menschen brauchen angemessene Kommunikationsformate, einen gut zugänglichen Informationsfundus und die Vermittlung grundlegender Informations- und Bewertungskompetenzen. Dazu tragen Formate politischer Bildung bei, wie zum Beispiel der Jugendlandtag. Kommunale Beteiligungsformate wie Jugendhearings, das Engagement in Jugendverbänden oder wahlvorbereitende Aktionen, wie sie 2014 im Vorfeld der Kommunalwahl im Rahmen der Kampagne „Wählen ab 16“ stattgefunden haben, machen Entscheidungskompetenzen sichtbar.
Doch genug der Vorrede! Wir freuen uns, mit möglichst vielen Engagierten über unsere Positionen ins Gespräch zu kommen
Alexander Strobel
Vorstandssprecher
Einleitung
Der Landesjugendring Baden-Württemberg vertritt die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie der Jugendverbände und Jugendringe in Baden-Württemberg. Er begrüßt das steigende Bemühen um eine stärkere Partizipation von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungen in den Kommunen und auf Landesebene. Der Landesjugendring und die in ihm zusammengeschlossenen Jugendverbände und Jugendringe sehen aber noch viele Verbesserungsmöglichkeiten und fordern eine Qualitätsoffensive für Kinder- und Jugendbeteiligung.
1. Warum Beteiligung von Kindern und Jugendlichen?
Nicht nur bei Themen wie Klimaschutz, Altersversorgung, Verschuldungspolitik oder Bildung gilt: Junge Menschen sind am stärksten von den heutigen Entscheidungen von Politik betroffen, da sie die langfristigen Folgen tragen müssen. Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, dass sie auch an den politischen Entscheidungen beteiligt sind. Bisher sind sie aber weitgehend von Wahlen ausgeschlossen und haben nur begrenzt Möglichkeiten, sich wirksam politisch einzubringen. Die Änderung des § 41a der Gemeindeordnung in Baden-Württemberg 2015 war dazu ein wichtiger Schritt, dem aber viele weitere folgen müssen.
2. Was bedeutet Partizipation?
Unter Partizipation versteht der Landesjugendring sowohl soziale Teilhabe an der Gesellschaft als auch politische Beteiligung. In diesem Positionspapier setzt sich der Landesjugendring mit Prozessen politischer Beteiligung auseinander. Diese Prozesse können unterschiedliche Ziele verfolgen und jeweils legitim und richtig sein. Die Qualität und die Ebene der Ziele und Prozesse müssen aber als solche benannt und damit transparent werden:
Beteiligung durch freiwilliges Engagement
Indem sich junge Menschen aktiv im freiwilligen Engagement zum Beispiel in Jugendorganisationen einbringen, gestalten sie Gesellschaft mit und übernehmen Verantwortung. In Jugendverbänden finden sie also Organisationsstrukturen vor, die freiwilliges soziales Engagement und politisches Handeln und damit Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.
Politische Information bzw. politische Bildung
In dieser grundlegenden Form geht es darum, junge Menschen über Strukturen und Abläufe des politischen Betriebs aber auch über politische Bewertungen und Sichtweisen zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Entscheidungsfindung zum Beispiel in Parlamenten zu verstehen. Dieses Wissen und seine Vermittlung sind fundamental, sind aber noch keine Partizipation.
Dialog zu politischen Fragen
In vielen Formaten kommen junge Menschen mit Politiker*innen ins Gespräch und tauschen sich über Vorstellungen und Wünsche in politischen Sachfragen aus. Damit können ihre Vorschläge und Ideen in parlamentarische Abläufe einfließen. Die gemachten Vorschläge sind aber unverbindlich, die Entscheidungshoheit bleibt bei der Politik. Das Maß an und die Qualität von Beteiligung bei diesen Dialogformaten sind sehr unterschiedlich. Letztlich hängt aber die Umsetzung der Forderungen vom guten Willen der beteiligten Politiker*innen ab, ist also willkürlich.
Wirksame Beteiligung an politischen Entscheidungen
Von echter Partizipation kann nur dann gesprochen werden, wenn junge Menschen auch die Möglichkeit haben, etwas zu verändern. Dies geschieht dadurch, dass sie an konkreten Beschlüssen mitwirken und es überprüfbare Vereinbarungen gibt, deren Umsetzung von den Kindern und Jugendlichen mitverfolgt werden kann. Das bedeutet, dass Politik und/oder Verwaltung Macht an Kinder und Jugendliche abgeben. Es genügt nicht, „gehört zu werden“, sondern junge Menschen, besonders Kinder und Jugendliche, brauchen eine Form von wirksamer Gestaltungsmöglichkeit.
Wichtig ist, dass diese Form der Partizipation umfassend ist und sich über alle politischen Themenfelder erstreckt und nicht nur auf klassische Fragen begrenzt ist, in denen Kinder und Jugendliche direkt betroffen sind.
3. Wie kann Partizipation gelingen?
Teilnahme an Wahlen
In der repräsentativen Demokratie ist die zentrale Form politischer Beteiligung die Wahl. Derzeit sind Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg von Wahlen (außer die über 16-Jährigen auf kommunaler Ebene) ausgeschlossen. Dies ist aus Sicht des Landesjugendrings nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass bei freien und gleichen Wahlen alle Macht vom Volk ausgeht. Es muss nicht begründet werden, warum Menschen unter 18 Jahren wählen dürfen, vielmehr muss sehr gut begründet werden, warum einem nicht unerheblichen Teil das fundamentale Wahlrecht verwehrt wird.
- Der Landesjugendring tritt deshalb in einem nächsten Schritt für eine Absenkung des aktiven und passiven Wahlalters auf 14 Jahre auf allen politischen Ebenen ein.
- Im Landesjugendring wird darüber hinaus das Wahlrecht ab Geburt diskutiert, bei dem sich alle Kinder und Jugendlichen, die das wollen, in Wahllisten eintragen können.
Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an Wahlen nicht weiter zu verwehren ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil die junge Generation insgesamt aufgrund des demographischen Wandels immer mehr in eine Minderheitenposition kommt. Wahlen werden aktuell vor allem in den Altersgruppen der über 60-jährigen entschieden, die die größte Gruppe der Wahlberechtigten stellt.
Qualitativ hochwertige Partizipationsformate
Unabhängig von der Teilnahme an Wahlen müssen Partizipationsformen für junge Menschen geschaffen werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass konkrete und nachprüfbare Ergebnisse erzielt werden und Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt werden, die Umsetzung der Beschlüsse zu überprüfen.
Dies kann dann gelingen, wenn die Strukturen so eingerichtet werden, dass junge Menschen die Möglichkeit haben, in einem attraktiven Umfeld Prozesse zu begreifen und mitzugestalten sowie ihre Interessen wirksam zu vertreten. Es müssen angemessene Kommunikationsformen gefunden werden, damit jungen Menschen nicht über- oder unterfordert werden. Die jeweilige politische Ebene muss Rahmenbedingungen schaffen, die eine Beteiligung möglich machen (Personal, Räume, Finanzmittel).
Gleichzeitig ist aber darauf zu achten, dass die jungen Menschen frei sind in der Wahl der Themen und Vorgehensweisen. Politik und Verwaltung geben also Macht an die jungen Menschen ab. Dies gelingt umso besser, wenn die Organisation von Partizipationsformaten nicht bei der Verwaltung selbst liegt, sondern bei den Jugendverbänden und -ringen.
Vielfalt muss sich abbilden können
Bei solchen Formen der Partizipation ist es wichtig, dass die beteiligten jungen Menschen nicht zufällig ausgewählt werden, sondern in einem nachvollziehbaren und transparenten Prozess. Es ist von zentraler Bedeutung, dass junge Menschen aus unterschiedlichen Lebenslagen einbezogen werden. Beteiligungshindernisse insbesondere für diejenigen mit geringem Bildungsniveau oder jungen Menschen mit Beeinträchtigungen müssen abgebaut werden.
Es muss gewährleistet werden, dass es verschiedene Zugänge zu den jeweiligen Beteiligungsformaten gibt. Dies darf nicht nur über eine Institution wie die Schule erfolgen. Zudem müssen die gewählten Vertreter*innen von Jugendorganisationen in Partizipationsprozesse einbezogen werden.
Beteiligung ermöglicht Auseinandersetzung
Jungen Menschen in Partizipationsprozessen muss es möglich sein, in einer direkten und offenen Form der politischen Auseinandersetzung mit Mandatsträger*innen und der Verwaltung für ihre Anliegen einzutreten. Sie müssen auch solche Themen einbringen können, die von Seiten der Politik oder Verwaltung nicht für die Beteiligungsprozesse mit Kindern und Jugendlichen vorgesehen sind. So können zum Beispiel Anliegen junger Menschen wie aktuell ein besserer Schutz des Klimas in die politischen Entscheidungen wirksam eingebracht werden.
4. Rolle von Jugendverbänden und -ringen bei Beteiligungsprozessen
Von ihrem Selbstverständnis sind Jugendverbände und -ringe ein Rahmen für selbstbestimmtes und freiwilliges Engagement und als solche ein Teil der Zivilgesellschaft und damit Teil der demokratischen Willensbildung. In Jugendverbänden organisieren sich Kinder und Jugendliche, wählen ihre Vertreter*innen und über inhaltliche Fragen erfolgen demokratische Abstimmungen.
In demokratisch verfassten Jugendverbänden haben Kinder und Jugendliche das Sagen. In Jugendringen schließen sich Jugendverbände auf allen Ebenen zusammen.
Dadurch sind Jugendverbände und Jugendringe Werkstätten der Demokratie.
Anders als Schulen sind Jugendverbände und -ringe keine staatlichen Organisationen mit politischer Neutralitätsverpflichtung. Aus ihrer prinzipiellen Werteorientierung leiten Jugendverbände und - ringe ihre politischen Forderungen ab.
Als Interessensvertretung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen Jugendverbände und -ringe in Beteiligungsformate immer einbezogen werden. Ihre demokratisch gewählten Repräsentant*innen müssen die Anliegen der Mitglieder ihrer Organisationen in Beteiligungsformaten von Kommunen oder dem Land einbringen können.
Als Fachverbände verfügen Jugendorganisationen darüber hinaus über große Expertise in Fragen von Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Sie können die Funktion übernehmen, Prozesse langfristig zu begleiten und auf Qualitätssicherung der Prozesse zu achten.
5. Partizipationskultur in Jugendverbänden
Die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung beinhaltet einen Auftrag an die Jugendverbände und -ringe, sich für diese Beteiligungsprozesse zuständig zu fühlen und ihr Know-how einzubringen. Sie müssen aber strukturell so ausgestattet werden, dass sie solche Prozesse begleiten können.
Darüber hinaus sind die Jugendorganisationen auch aufgerufen, gemeinsam mit ihren Mitgliedern zu überprüfen, ob sie selbst allen Ansprüchen an Partizipation genügen. Wünschenswert ist ein dauerhafter Prozess, in dem junge Menschen im Verband die Möglichkeit bekommen, auf mögliche Verbesserungen der innerverbandlichen Beteiligung hinzuweisen, diese zu diskutieren und ggf. die Regeln zu verändern. Damit sammeln Jugendorganisationen weitere inhaltliche Erfahrungen in der Ermöglichung und Gestaltung von Prozessen der Partizipation, die sie in andere Strukturen einbringen können.
Zu den verschiedenen politischen Ebenen kommt eine weitere hinzu: Viele der Jugendverbände mit Erwachsenenverbänden müssen innerhalb ihrer Verbände für eine Ausweitung der Beteiligungsrechte und einer beteiligungsfreundlichen Verbandskultur eintreten.
Denn es gilt, nicht allein Jugendverbände und -ringe, sondern die Zivilgesellschaft insgesamt kontinuierlich im Sinne einer weitergehenden Kinder- und Jugendbeteiligung zu entwickeln.
6. Forderungen
Der Landesjugendring Baden-Württemberg tritt ein für ein aktives und passives Wahlrecht ab 14 Jahren auf allen politischen Ebenen.
Darüber hinaus fordert er die Politik auf, nach gangbaren Wegen zu suchen, die auch eine Beteiligung von Kindern an Wahlen ermöglicht. Neben der Wahlbeteiligung müssen junge Menschen auf allen Ebenen stärker in die politischen Entscheidungen einbezogen werden.
Daraus ergeben sich vielfältige Aufgaben:
Landespolitik
- Junge Menschen müssen dort wirkungsvoll mitbestimmen können, wo sie leben und lernen (z. B. Kindergärten, Schulen oder Hochschulen). Dafür muss die Landespolitik umfassende Regelungen treffen.
- Auf Landesebene müssen Partizipationsformate für junge Menschen im Rahmen der Landesgesetzgebung eingeführt werden, die über politische Bildung hinausgehen. Vor allem für Kinder und Jugendliche müssen wirksame Formen der Partizipation entwickelt werden. Dabei sind Jugendverbände und der Landesjugendring einzubeziehen und auszustatten.
- Die Kommunen müssen mehr auf die gesetzlichen Regelungen einer Einführung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (§ 41a GemO) verpflichtet und in die Verantwortung für erfolgreiche Beteiligung genommen werden. Dabei müssen die Jugendverbände und -ringe einbezogen werden.
- Die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg muss gesichert und ausgebaut werden.
- Die Landesregierung soll sich über den Bundesrat für eine Absenkung des Wahlalters bei Wahlen und Abstimmungen auf Bundesebene einsetzen. Darüber hinaus sollen sich die Landesparteien in ihren Bundesparteien hierfür einsetzen.
Kommunale Ebene
- Der § 41 a muss flächendeckend mit Leben gefüllt werden und die eingeführte Beteiligung den qualitativen Anforderungen an Partizipation entsprechen.
- Auf kommunaler Ebene werden zwar auf Grundlage des § 41a GemO viele Formate eingeführt, diese müssen aber auch wirksam sein. Bestehende Formate müssen weiterentwickelt werden.
- Jugendverbände und -ringe müssen immer auf kommunaler Ebene in Beteiligungsformate einbezogen werden. Sie müssen strukturell dazu in die Lage versetzt werden, solche Formate organisieren und durchführen zu können.
- Kinderbeteiligung muss ausgebaut werden.
Jugendverbände- und ringe
- Um eine aktive Rolle in Partizipationsfragen spielen zu können, entwickeln sich Jugendverbände und -ringe als Fachstellen für Partizipation weiter und mischen sich aktiv in die Organisation von Kinder- und Jugendpartizipation ein.
- Sie entwickeln ihre eigenen Partizipationsformen für die interne Willensbildung weiter, um auch dort eine umfassende und wirksame Mitgestaltung von Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen.
- Die Jugendverbände und -ringe überprüfen und entwickeln eigene Kriterien für die wirksame Partizipation von jungen Menschen weiter.